13.7. 13:15:
Der Schabbath verlief ziemlich ereignislos. Aus irgendeinem Grund war ich die meiste Zeit muede, und hab hab vor mich hingedoest. Am spaeten Nachmittag wurde Haifa noch ein bisschen fotografiert, um ein paar Impressionen von der Architektur und den vielen kleinen Gassen, die den Berg Carmel rauffuehren, mitzubringen.
Und heute (13.7.) ging es im wesentlichen nur noch darum, zusammenzupacken, zu zahlen, und mich in Richtung Jerusalem zu begeben. Und so sitze ich nun in Tel Aviv, weil meinen Anschluss-Zug um gerade mal zwei Minuten verpasst habe, und der naechste Zug erst wieder in 2 Stunden faehrt. Und ich kann in der Zeit nicht einmal den Bahnhof verlassen. Bzw. koennte ich schon, nur dann muesste ich mich wieder mal den umfangreichen Sicherheitsueberpruefungen unterziehen, und womoeglich noch ein neues Zugticket kaufen. Gut, bei den Ticketpreisen waere das nicht das groesste Problem.
Die Jugendherberge in Haifa war uebrigens fast ausschliesslich mit
Bahai voll, ein freundliches aber auch merkwuerdiges Voelkchen. Es ist wieder mal die Ueberfreundlichkeit, die mich etwas stutzig machte. Und so kam es auch, dass ich heute von einem der Gruppe angesprochen wurde, und mir ein paar Broschueren zu dem Thema der Bahai-Religion uebergeben wurde. Ich bedankte mich freundlich, und alles gesagte rauschte einfach von einem Ohr zum anderen durch, ohne dass irgendwas haengenblieb. Die Broschueren hab ich kurz durchgesehen, und die Glaubensinhalte sind zwar nett, koennen aber von jedem humanistisch-aufgeklaerten Geist selbst zusammengestellt werden. Dazu braucht es wirklich keine Religion, finde ich, noch dazu, weil die Religion der Menge an guten und gut argumentierbaren Ideen einen obskur-mystischen-unwissenschaftlichen Faktor hinzufuegt. Im uebrigen ist Missionstaetigkeit in Israel streng verboten, allerdings frage ich mich, inwieweit ein derartiges Vergehen ueberhaupt verfolgt wird.
13.7. 16:05:
Die Fahrt nach Jerusalem zieht sich eine Ewigkeit dahin, nach Bet Shemesh faehrt der Zug ziemlich langsam dahin, und bleibt immer wieder stehen, aufgrund entgegenkommender Zuege auf der prinzipiell einspurigen Strecke. Die Bahnstrecke selbst liegt in einem vergleichsweise steilen, tiefen Tal, streckenweise zeigt das Handy keinen Empfang an.
13.7. 23:00:
Das Dan Boutique Hotel in Jerusalem, in dem ich wohne, ist nett. Um ca. 19:30, nach einer Dusche und einer Dosis Fernsehen, bin ich auf die Suche nach etwas Essbarem gegangen, und traf zufaellig Michael, einen Amerikaner aus Boston, der in Jerusalem wohnt und in Ramallah fuer eine NGO arbeitet, und den ich vor ein paar Tagen im Youth Hostel in Haifa kennengelernt hatte. Mit dem ging ich spontan was Essen, und zwar in einem koscheren Restaurant in der "German Colony". Gulasch, rote Beete, jemenitische Fleischsuppe, frischer Orangensaft in der Karaffe.
14.7. 20:45:
Nach einem umfangreichen Fruehstueck begab ich mich auf den Weg zum Altstadt, die sich ca. 10 Gehminuten von meinen Hotel entfernt befindet. Mein erster Weg fuehrte mich durch das Jaffator Richtung Sueden, ins armenische Viertel. Dort war allerdings garnix los, und das armenische Museum, das ich eigentlich besuchen wollte, ist derzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Als ging es weiter ins juedische Viertel, das interessanterweise von etlichen Neubauten dominiert wird. Die Klagemauer war nicht weit entfernt, also begab ich mich ueber mehrere verwinkelte Gassen und Stiegen dorthin. Die Sicherheitsvorkehrungen dort sind massiv, der Metalldetektor extrasensibel. Bei der Klagemauer selbst wurde mehrere Bar Mitzvahs gefeiert, es herrschte eine generell sehr euphorische Stimmung. Allein der Aufenthalt dort war ein besonderes Erlebnis. Die Kippas, die zur Erfuellung der Kopfbedeckungspflicht in dieser "Freilichtsynagoge" bereit liegen, sind uebrigens aus festem, gefalteten und geklammerten Papier. Nach diesen aeusserst interessanten Eindruecken ging es weiter ins muslimische Viertel, durch mehrere Suqs, ueberdachte Gassen, in denen man touristische und an Einheimische gerichtete Basare findet. Ob touristisch oder nicht erkennt man uebrigens an der "Aggressivitaet" der Verkaeufer ("Hello! Do you want to see my shop?").
Schliesslich ging es vorbei der oesterreichischen Hospiz (voellig unspektakulaer) weiter ins christliche Viertel, wo ich eher zufaellig in die Grabeskirche stolperte. Die Stimmung dort war eigenartig, es herrschte grosse Konkurrenz unter den Pilgern, und eine allgemeine Aggressivitaet. Ich sah sogar einen koptischen Moench, der einem Pilger eine Kerze aus der Hand riss, auf den Boden warf, und aus der koptischen Kapelle hinter dem Christusgrab draengte. Motive gibt die Grabeskirche jede Menge, es finden sich unzaehlige Mosaike, Ikonen, Wandmalereien aus den verschiedensten Stilepochen und -richtungen, immerhin teilen sich die Kirche mehrere christliche Konfessionen (roemisch-katholisch, griechisch-orthodox, koptisch, armenisch, syrisch-orthodox, ...). Das Gebaeude selbst ist unglaublich verwinkelt, die Historizitaet laesst sich z.B. an in Stein eingeritzten Pilgerbotschaften (a la "Andreas war hier, 1856") nur erahnen.
Nach diesem Besuch ging es zurueck zum Jaffator, um den weiteren Trip des Tages zu planen. Eigentlich blieb mir nur der Lithostrotos uebrigen, also auf zur Via Dolorosa. Knapp nach dem Jaffator wurde ich allerdings von einem Teppichhaendler abgepasst, der versuchte, mir persische und drusische Webarbeiten, d.h. Teppiche und Decken zu verkaufen. Die persischen Teppiche warn natuerlich ausschliesslich von iranischen Juden gewebt, ja genau. Das Bullshitting war genial, ich waere der erste Kunde des Tages, das Geschaeft liefe schlecht, man koenne sich die Ware zusenden lassen (per EMS), das waere im Gegensatz zu eigenem Einfuhr zollfrei, usw. usf. Ich betonte mehrmals, dass ich nicht so schnell entscheiden kann, zwei Decken fuer EUR 200 zu kaufen. Beim Rausgehen passte mich dann ein zweiter Verkaeufer ab, der mir ein Angebot fuer EUR 150 machte. Uebrigens hatte der Andere vorhin gesagt, er wuerde da nur EUR 20 dran verdienen, wenn er's um EUR 200 verkauft. Diese Aussage ist besonders interessant unter dem Aspekt, dass ich unter konstantem Betonen, ich wollte keine schnellen Kaufentscheidungen faellen, den Preis auf EUR 60 runterhandeln konnte. Ob die Decken tatsaechlich "silk on cotton" (Seide gewebt auf Baumwollfadennetz) waren, bezweifle ich stark. Als ich bei EUR 60 noch immer nicht einstieg, war der Haendler ziemlich suaer, auch weil ich offen sagte, dass ich mich unter Druck gesetzt fuehlte, und er sagte (auf Englisch) zu einem anderen, jungen Verkaeufer, "The Germans and Austrians are always very complicated, you have to remember that." Der junge Verkaeufer versuchte mir noch ein Angebot zu machen, aber ich ignorierte ihn vollkommen, und verliess das Geschaeft zuegig und deutlich amuesiert. Mit dem einen hatte ich mir einen Spass gemacht, allerdings ist es generell wichtig, die Strassenhaendler konsequent zu ignorieren, um ueberhaupt zu irgendwas zu machen. Schliesslich ging es doch noch zum Lithostrotos, der mich eigentlich nur wegen der im Reisefuehrer erwaehnten Spielfelder, die in den Steinboden von roemischen Legionaeren eingeritzt worden waren, interessierte. Nachher ging es wieder zurueck, ein kleiner Snack (Schawarma und Salat), nochmals vorbei an der Klagemauer und zurueck zum Hotel, nicht ohne vorher noch Getraenke einzukaufen. Dabei entdeckte ich, dass der 24/7-Store um die Ecke Zipfer-Bier in 0,66l-Flaschen fuehrt. Nett.
Das Fernsehangebot im Hotel ist uebrigens zahlreich, viel englischsprachiges Programm (oft auf Hebraeisch und Russisch untertitelt), einziger deutschsprachiger Sender ist der intellektuell hoechst anspruchsvolle Sender Sat.1 Oesterreich [sic].
15.7. 21:50:
Heute ging es suedlich an der Altstadt vorbei, zum Zacharias-Grab. Dabei ging es ein Stueck durch Ostjerusalem, und alles fuehlte sich sofort etwas "wilder" an, sogar der israelische Sicherheitswall war ein paar Berge weiter deutlich erkennbar. Weiter ging es zum juedischen Friedhof, der einen fantastischen Blick auf die gesamte Jerusalemer Altstadt bot. Dann weiter durchs Osttor (Lions Gate, IIRC) in die Altstadt, hin zum Nordtor, dem Damaskus-Tor, und weiter Richtung Norden. Dann wollte ich was zu essen finden, allerdings waren die Lokale entweder total ueberfuellt, total leer (meist ein schlechtes Zeichen), oder das Essen sprach mich ueberhaupt nicht an (wer will Chinesisch, Thai oder Pizza in seinem Israel-Urlaub essen?). Also wollte ich in eines der netten Lokale in der German Colony gehen, konnte die Strasse mit den vielen Lokalen allerdings beim besten Willen nicht finden. Also blieb es bei ein paar Knabbereien im Hotelzimmer, was bisher aber voellig ausreichend war. Ueberhaupt ist der Hunger, wohl durch die Hitze, wesentlich weniger geworden. Mein Plan war, am spaeten Nachmittag ins Israel-Museum zu gehen, leider schlief auf dem Bett ein, und wachte erst relativ spaet wieder auf, zu spaet. So ein Pech aber auch.