Gestern war der große Tag der Zelebrationen: 60 Jahre Unabhängigkeit der 2. Republik, für den Bürger, dem die Übertragung der Feierlichkeiten zu langweilig war, wurde das aufgefettet mit dem 2. Teil der exzellenten Hugo-Portisch-Dokumentation "Die 2. Republik", und schließlich noch ein Interview mit dem ehem. Sekretär und Übersetzer des sowjetischen Außenministers Molotow in der "Zeit im Bild 2". Und genau auf dieses Interview möchte ich etwas näher eingehen.
Eben dieser Sekretär (Name leider vergessen) wurde zu den Verhandlungen zum Staatsvertrag befragt, da ja die UdSSR noch 1954 darauf bestanden hatte, dass dieser Staatsvertrag nur zustande kommen würde, wenn die Sowjets Truppen in Österreich lassen könnten (die waren ja ziemlich heiß auf so Sachen wie Erdöl und Donaudampfschifffahrtsgesellschaft), während das 1955 plötzlich keine Bedingung mehr war, und so letztlich auch der Staatsvertrag zustande kam. Die Antwort erstaunte mich besonders, da nebenbei und auch unmittelbar eher schwierig raushörbar war, dass es mit dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland 1954/1955 schwierig bis unmöglich werden würde, in naher Zeit eine Wiedervereinigung Deutschlands zu erreichen, und deswegen wollte man auf jeden Fall die Einheit Österreichs sicherstellen.
Ja, richtig gelesen: dieser Sekretär schob das Scheitern einer frühen Wiedervereinigung auf den Westen, und zumindest in dem Punkt der Eskalation mittels Bündnisbildungen war wirklich der Westen der Erste, die unter Sowjet-Einfluss stehenden Staaten reagierten im Mai 1955 mit der Bildung des Warschauer Pakts, was natürlich das Verhalten des Ostens in einem kaum besseren Licht darstellt. Aber trotzdem ist es bemerkenswert, dass hier ein anderes, differenzierteres Bild gezeichnet wird, da ich Zeit meines Lebens die Haltung "der kommunistische Osten ist bzw. war der böse Aggressor" eingebläut bekam. Man könnte annehmen, dieser interviewte Sekretär wäre ein Revisionist, dazu wirkten seine übrigen Ausführung zuwenig (nämlich: garnicht) ideologisch geprägt, und schließlich stellte sich sogar heraus, dass er sich gerade in Österreich als Teilnehmer eines Geschichts-Symposiums in Bad Schallaburg befand, was natürlich meiner Meinung nach (und ich nehme mal an, der ORF recherchiert die Hintergründe der Leute, die sie zum Interview einladen) auch eine gewisse Akkreditierung darstellt.
Ein weiteres Kuriosum, das mir gestern auffiel, aber das nur am Rande: die US-Amerikaner hatten ihren Flugplatz bei Wien in Langenlebarn eingerichtet, dies wurde in der Dokumentation mehrmals erwähnt. Allerdings wurde die Ortsangabe immer nur auf "in der Nähe von Tulln" beschränkt, was umso amüsanter ist, als dass der Ort Langenlebarn einem Gutteil der Österreicher aus genau dem Grund bekannt ist, dass das österreichische Bundesheer dort auch jetzt noch einen wichtigen Fliegerstützpunkt betreibt, und praktisch jeder GWD-Pflichtige mit dem Schicksal hadert, ja nicht nach Langenlebarn zu kommen, weil das ja wirklich ein totales Kaff sein soll, mit faktisch null Infrastruktur. Aber das nur am Rande.